Bewertung und Prüfung

Die Bewertung der Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln erfolgt in einem Gemeinschaftsverfahren der EU, in dem die Mitgliedstaaten gemeinsam mit der Europäischen Kommission und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln insbesondere auf Umweltverträglichkeit, toxikologische Eigenschaften sowie auf das Rückstandsverhalten prüfen.

Hingegen erfolgt die Bewertung und Prüfung von Pflanzenschutzmitteln auf nationaler Ebene und wird in Österreich durch ExpertInnen der AGES durchgeführt. Die Zulassung der Pflanzenschutzmittel erfolgt letztlich durch das Bundesamt für Ernährungssicherheit.

Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates bildet in der EU die Rechtsbasis für die Prüfung von Pflanzenschutzmitteln und deren Wirkstoffen, Safener, Synergisten und Beistoffen, sowie die Zulassung, die Inverkehrbringung, die Anwendung sowie die Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln.
Zudem ist vorgesehen, dass diese Verordnung eine Liste von Wirkstoffen enthält (Substitutionskandidaten), die, nach Möglichkeit, von Pflanzenschutzmitteln mit Wirkstoffen, welche günstigere Eigenschaften hinsichtlich ihres Risikos für Mensch, Tier und Umwelt haben ersetzt werden müssen.

Bewertung der Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln

Für jeden Wirkstoff wird ein Mitgliedstaat als so genannter Berichterstatter („Rapporteur“) benannt, der zunächst die Vollständigkeit der eingereichten Daten und Unterlagen zum Wirkstoff überprüft. Ist das Wirkstoffdossier offensichtlich vollständig und entsprechen die Studien auch den geforderten Qualitätskriterien, beginnt die Detailbewertung für die verschiedenen Bewertungsbereiche durch den berichterstattenden Mitgliedstaat. Als Ergebnis wird ein detaillierter Bewertungsbericht über die Eigenschaften und Risken des Wirkstoffs verfasst, der dann in einem umfangreichen Peer-Review-Verfahren mit den Mitgliedstaaten und der EFSA überprüft wird. Fragestellungen und Probleme, die im Zuge der Bewertung mitunter auftreten, werden in zusätzlichen, von der EFSA organisierten Expertentreffen bzw. Telefonkonferenzen mit den Mitgliedsstaaten diskutiert und eine einheitliche Vorgehensweise wird erarbeitet.

Die Entscheidung, ob für den geprüften Wirkstoff unter Beachtung geeigneter risikominimierender Maßnahmen eine sichere Anwendung gegeben ist und er gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genehmigt werden kann, erfolgt im Rahmen einer Abstimmung aller Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für die Nahrungsmittelkette und Tiergesundheit (SCoFCAH) der Kommission.

Wird entschieden, dass ein Wirkstoff nicht genehmigt werden kann, da keine sichere Anwendung möglich ist, so müssen alle bestehenden Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff innerhalb einer bestimmten Frist EU-weit aufgehoben werden.
Erstgenehmigte Wirkstoffe müssen spätestens nach 10 Jahren zwecks Anpassung an die aktuelle Entwicklung von Wissenschaft und Technik einer Neubewertung unterzogen werden. Neuerlich genehmigt werden Wirkstoffe für höchstens 15 Jahre, Substitutionskandidaten werden hingegen nur für maximal 5 Jahre genehmigt. 

Bewertung von Pflanzenschutzmitteln

Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wird die Europäische Union in 3 Zonen eingeteilt, wobei die Pflanzenschutzmittelbewertung durch einen zonalen Bericht erstattenden Mitgliedsstaat die Basis für die darauffolgende spezifische Bewertung und Zulassung durch die Einzelstaaten bildet.

Umweltverhalten (eFate)

Für den Fachbereich Umweltverhalten (eFate) werden im Rahmen der nationalen Bewertung spezifische nationale Kriterien wie Klimabedingungen, Bodenverhältnisse, landwirtschaftliche Strukturen und vieles mehr berücksichtigt, welche einen großen Einfluss insbesondere auf das Abbau- und Verteilungsverhalten von Pflanzenschutzmitteln haben.

Auf dieser Grundlage vergibt das Bundesamt für Ernährungssicherheit im Rahmen der Zulassung entsprechende Auflagen bzw. risikominimierende Maßnahmen.

Folgendes Dokument enthält grundlegende Informationen zur Durchführung der nationalen Umwelt-Expositionsberechnung:

Bei nachstehendem Dokument handelt es sich um das vom Antragsteller auszufüllende Formular, das für die Bewertung des Umweltverhaltens im Rahmen der Antragstellung vorzulegen ist.

Ökotoxikologie

Für den Fachbereich Ökotoxikologie erfolgt die nationale Bewertung auf den in der EU gültigen rechtlichen Grundlagen, den gesetzlich vorgeschriebenen Datenanforderungen, sowie den derzeit anerkannten Leitliniendokumente.

Entsprechende Hintergrundinformation zur Risikobewertung, Datenanforderung und möglichen risikominimierende Maßnahmen werden in den folgenden Dokumenten für alle bewertungsrelevante Organismengruppe zusammengefasst:

Honigbienen

Die Risikobewertung für Honigbienen wird von der AGES auf Basis des EFSA-Leitliniendokuments (EFSA Journal 2013;11(7):3295) durchgeführt. Für die Bewertung wurden bislang alle relevanten Expositionswege gemäß "Tier 1" berücksichtigt, die Exposition via Pollen und Nektar und die Exposition über die Trinkwasseraufnahme. Nach mehrjähriger Erfahrung mit dem EFSA-Leitliniendokument (2013) hat sich gezeigt, dass die im Dokument getroffenen Annahmen zu den Expositionswegen (1) Trinkwasser und (2) Pollen und Nektar in nachfolgenden Kulturen besonders konservativ gewählt wurden, was auf die damals mangelnde Datenlage zurückzuführen ist.

Mit dem überarbeiteten EFSA-Leitliniendokument (EFSA Journal 2023;21(5):7989) wurden nun neue Daten und Information berücksichtigt, womit eine realistischere Beschreibung der oben genannten Expositionsszenarien (1 und 2) möglich ist. Es wurde daher entschieden, dass bis zum in Kraft treten des neu überarbeiteten EFSA-Leitliniendokuments (2023) in Österreich auf nationaler Ebene eine Übergangsregel für die beiden Szenarien (1) Trinkwasser und (2) Pollen und Nektar in nachfolgenden Kulturen auf Basis des EFSA-Leitliniendokuments (2023) getroffen wird, um eine zu konservative Risikobewertung zu vermeiden. Das heißt für alle nationalen Bewertungen:

  1. Eine Trinkwasser-Risikobewertung (Guttationswasser, Wasser in Pfützen und Oberflächengewässer) muss nicht durchgeführt werden.
  2. Bevor eine Bewertung des Expositionsszenarios "nachfolgende Kultur" durchgeführt wird, soll die Relevanz des Expositionsszenarios für die beantragte Kultur überprüft werden. Dabei ist den Vorgaben im EFSA-Leitliniendokument von 2023 (Sektion 4.3.4) zu folgen; d.h. auf Basis der Eigenschaften (DT50 im Boden, Koc) und der Toxizität des Wirkstoffs sowie der Aufwandmenge soll über die Relevanz des Expositionsszenarios entschieden werden. Wird das Expositionsszenario als relevant erachtet, so ist eine Bewertung gemäß dem EFSA-Leitliniendokuments (2013) durchzuführen.

Für alle anderen Expositionsszenarien (i.e. behandelte Kultur, Unkräuter im Feld, Feldrand, angrenzende Felder) wird weiterhin das EFSA-Leitliniendokument (2013) angewendet. Es ist weiters zu beachten, dass auf zonaler Ebene (AT fungiert als zRMS) sowie auf EU Ebene (Neubewertung und Wiederbewertung von Wirkstoffen) weiterhin das EFSA-Leitliniendokument (2013) zur Gänze zur Anwendung kommt.

Formulare und Tools für Antragsteller

Für die Antragstellung bei Produktverfahren wird für die Bewertung der Ökotoxikologie die Verwendung der nachfolgenden Formulare empfohlen:

Formular 1 soll verwendet werden, wenn Österreich die Rolle als zonaler Berichterstattender Mitgliedstaat (zRMS) übernimmt
Formular 2 soll verwendet werden, wenn für Österreich als betroffener Mitgliedstaat (cMS) ein nationaler Bewertungsteil (national Addendum) notwendig ist.

Für einen Äquivalenzcheck zu Wirkstoff-Batches gemäß des Technical Report “Outcome of the Pesticides Peer Review Meeting on general recurring issues in ecotoxicology" und der EFSA Supporting publication 2019:EN-1673, Appendix D ”How to present the assessment for the equivalence of batches” wird folgendes Formular empfohlen:

Der folgende Fragebogen soll als Leitfaden für eine umfassendere Charakterisierung der Pestizidrückstände dienen, denen Nichtzielorganismen auf dem Feld ausgesetzt sein könnten. Eine leere Vorlage des Fragebogens kann unten heruntergeladen werden. Ein Beispiel für das Ausfüllen des Fragebogens finden Sie in Anhang C der EFSA-Supporting publication 2019:EN-1673.

Für die Bewertung der aquatischen "Mixture Toxicity" gemäß des Aquatic Guidance Document EFSA Journal 2013; 11(7):3290 können die aktuellste Version des Mixtox-Tools und die dazugehörende dRR Vorlage von der zenodo Plattform bezogen werden. 

Neue HRAC-Klassifizierung

Neuerungen

Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln werden entsprechend ihrem Wirkmechanismus klassifiziert und mit Hilfe von Codes eindeutig zugeordnet. In Europa wird dazu das Klassifizierungssystem des jeweiligen Resistance Action Committee (RAC) für Insektizide (IRAC), Fungizide (FRAC) und Herbizide (HRAC) herangezogen.

Das Herbicide Resistance Action Committee (HRAC) hat auf Europäischer Ebene nun das bisherige alphanumerischen System auf ein numerisches System, ident mit jenem der Weed Science Society of America (WSSA), umgestellt. Im Rahmen dieser Umstellung werden in Österreich auch Änderungen bei der Zuordnung einzelner Wirkstoffe umgesetzt.

Grundsätzlich dient die Angabe des Wirkungsmechanismus auf dem Etikett von Pflanzenschutzmitteln der korrekten Verwendung des Pflanzenschutzmittels im Rahmen der jeweiligen Zulassung. Das Ziel ist die aktive Vorbeugung von Resistenzentwicklungen. Die wiederholte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit dem gleichen Wirkungsmechanismus wird dabei auf ein fachlich vertretbares Maß beschränkt.

Auf Grund der vorgenannten Änderungen auf Europäischer Ebene wird vom Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) mit Stichtag 01.02.2024 für sämtliche Pflanzenschutzmittelzulassungen, die ab diesem Datum erteilt werden, die NEUE numerische HRAC-Klassifizierung herangezogen.

Bereits zugelassene Pflanzenschutzmittel

Bisher zugelassene Pflanzenschutzmittel werden durch das BAES im Rahmen der Verfahren gem. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sukzessive auf die NEUE numerische Klassifizierung umgestellt. Für diese Pflanzenschutzmittel, die bescheidmäßig mit der bisherigen alphanumerischen HRAC-Klassifizierung zugelassen wurden, gibt es die Möglichkeit ergänzend – und freiwillig – bis zur bescheidmäßigen Abänderung der derzeitigen Klassifizierung, zusätzlich bereits die NEUE numerische Klassifizierung anzuführen.

Eine detaillierte Auflistung des bisherigen alphanumerischen HRAC-Klassifizierungssystems sowie des NEUEN numerischen HRAC-Systems finden Sie unter folgendem Link: https://hracglobal.com/tools/classification-lookup.

Um die Umstellung und die Lesbarkeit weiter zu vereinfachen, finden Sie nachstehend eine Übersichtstabelle mit der Überleitung von der bisherigen zur NEUEN Klassifizierung sowie den aktuell in Österreich zugelassenen herbiziden Wirkstoffen (Stand Nov. 2023).
 

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